Beißreflexe
Ich war ja am Samstag mit Felix Herrmann auf einer Lesung über queeren Aktivismus in oder auf Conne Island, Leipzig-Connewitz. Es ging um die Vorstellung des Bandes "Beißreflexe", herausgegeben von Patsy L'Amour LaLove. Bis auf die Tatsache, dass Felix und ich im Grunde genommen nicht verstanden haben, worum es denen eigentlich geht, war die Veranstaltung sehr erbaulich.
Ich fand: Die Redner waren selbstkritisch und engagiert. Außerdem verweigerten sie sich jeder Anwandlung, den Staat als Big Daddy für die Lösung ihrer Probleme zu rufen - Autoritätsdenken nennen sie es und plädieren eher dafür, die diskursive Meinungshoheit zu erlangen: immer wieder und so laut auf Ungerechtigkeit und Unterdrückung hinweisen, bis es nicht mehr möglich ist, dass man z. B. einem Schwulen den Job als Kindergärtner verwehrt, nur weil er schwul ist. Aber: Irgendwie ging es zu keinem Zeitpunkt um Argumente. Es wurde ständig auf Vorwürfe von allen Seiten Bezug genommen: gegen Israel, gegen Pinkwashing, gegen Homonormativität, gegen islamische Schwulenfeindlichkeit, gegen das Patriarchat usw. Aber NICHT EINMAL wurde ein Wort darüber verloren, ob diese Vorwürfe wahr oder falsch seien! Ob es es queeren Palästinensern tatsächlich schlechter geht als queeren Israelis. Ob der Islam wirklich schwulenfeindlich ist oder nicht. Ob Privateigentum wirklich schädlich ist. Ob der weiße Hetero-Mann wirklich ein Unterdrücker ist oder nicht. Ob die Frau in Westen wirklich unterdrückt ist oder nicht. Das einzige, worum es ging, war die Labelung all dieser Positionen: Wer so denkt, ist rassistisch. Wer dieses Argument macht, macht sich mit dem Bürgertum gemein. Wer das sagt, spielt den Rechten in die Karten. Wer dies behauptet, ist LGBTQ-feindlich. Und als Krönung, tatsächlich: Wer jenes kritisiert, ist antisemitisch.
Ich fand das nach 2 Stunden doch ein wenig ermüdend.